Bericht: Wie sinnvoll sind Ökotarife bei Strom und Gas wirklich? 1. Teil

Bericht: Wie sinnvoll sind Ökotarife bei Strom und Gas wirklich? 1. Teil

Auch wenn eine gute Absicht dahinter steckt: Viele Tarife mit Ökostrom und Ökogas tragen nicht zur Energiewende bei. Doch warum ist das so? Wie sinnvoll sind Ökotarife bei Strom und Gas dann überhaupt? Und welche Labels zeigen an, wo es wenigstens einen kleinen Klimanutzen gibt?

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Bericht Wie sinnvoll sind Ökotarife bei Strom und Gas wirklich 1. Teil

In einem ausführlichen Bericht beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Thema!:

Was ist Ökostrom?

Als Ökostrom wird Strom bezeichnet, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Der Strom stammt also aus Wind- oder Wasserkraftwerken, Biogasanlagen oder Photovoltaikanlagen.

Für die Menge an Strom, die die Anbieter als Ökostrom verkaufen wollen, müssen sie sogenannte Herkunftsnachweise erwerben.

Umfragen zeigen, dass es fast 70 Prozent der Verbraucher:innen bei der Wahl eines neuen Energieversorgers wichtig ist, dass Ökostrom angeboten wird. Allerdings heißt ein höherer Bezug an Ökostrom nicht zwangsläufig, dass in Deutschland auch tatsächlich mehr Ökostrom produziert wird.

Warum trägt nicht jeder Ökostromtarif zur Energiewende bei?

Egal, auf welchen Tarif die Wahl fällt: Die physische Quelle des Stroms hat damit nichts zu tun. Auch bei einem Ökostromtarif liefert irgendein nahegelegenes Kraftwerk die Energie ins Haus.

Der Unterschied zu einem normalen Stromtarif besteht nur darin, dass der Stromanbieter für den Ökostrom Herkunftsnachweise kaufen muss. Diese Nachweise dokumentieren, wie und wo der Strom erzeugt wurde.

Ohne solche Herkunftsnachweise kann der Stromanbieter Strom aus erneuerbaren Quellen nicht als Ökostrom verkaufen.

Der Haken an der Sache ist, dass es aus Deutschland kaum Herkunftsnachweise gibt. Denn in Deutschland wird der Ausbau der erneuerbaren Energien über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) staatlich gefördert.

Grüner Strom, der die staatliche Förderung bekommt, darf nicht gesondert als Ökostrom verkauft werden und erhält deshalb auch keinen Herkunftsnachweis. Sonst würden die Anlagenbetreiber für ein- und denselben Ökostrom doppelt kassieren, nämlich durch die staatliche Förderung und zusätzlich über die Verkaufserlöse.

In Deutschland kommen nur etwa zehn Prozent der Betreiber von Ökostromanlagen ohne die staatliche Förderung aus. Folglich sind auch die verfügbaren Herkunftsnachweise aus Deutschland überschaubar.

Dieses Förderungssystem führt dazu, dass hierzulande Ökostrom schon rund die Hälfte des allgemeinen Strommix ausmacht.

Bis Ende Juni 2022 finanzierten außerdem alle Stromkund:innen den Ausbau der erneuerbaren Energien durch die sogenannte EEG-Umlage ohnehin über die Stromrechnung mit.

Mehr Transparenz

Die meisten Herkunftsnachweise für Ökostrom kommen aus dem Ausland, so zum Beispiel aus Österreich oder Norwegen. Dieser Strom wird in aller Regel sowieso produziert.

Durch den Kauf eines Herkunftsnachweises verschiebt sich die grüne Eigenschaft des Stroms nur auf den Stromanbieter, der seinen Kund:innen dadurch einen Tarif mit 100 Prozent Ökostrom verkaufen kann.

An dem Mix aus grünem und grauem Strom ändert sich dadurch aber nichts, sodass auch dem Klima nicht geholfen ist.

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Anders sieht die Sache bei Anbietern von Ökostrom aus, die sich für die Energiewende einsetzen und wirtschaftlich dafür starkmachen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien unabhängig vom EEG erfolgt.

Wer einen solchen Ökostromanbieter auswählt, unterstützt seine ökologische Geschäftspolitik und leistet damit indirekt einen Beitrag zur Energiewende.

Seit November 2023 müssen Energieversorger auf ihren Internetseiten und auch auf den Stromrechnungen angeben, aus welchen Ländern ihre Herkunftsnachweise stammen. So wissen Verbraucher:innen wenigstens, woher ihr Ökostrom kommt.

Der Regionalnachweis

In Deutschland gibt es seit 2019 neben den Herkunftsnachweisen für Ökostrom auch die sogenannten Regionalnachweise. Durch einen Regionalnachweis lässt sich nachvollziehen, wo EEG-geförderter Strom erzeugt wurde.

Die Regionalnachweise ermöglichen es den Energieversorgern, EEG-Strom aus einem Umkreis von 50 Kilometern um die Verbrauchsstelle der Stromkund:innen als „Strom aus der Region“ zu vermarkten.

Auf die Energiewende haben regionale Stromprodukte aber keinen Einfluss, weil sie nicht zu einem zusätzlichen Ausbau von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien beitragen.

Ob sich das recht komplizierte System mit Regionalnachweisen auf dem Markt etablieren wird, muss die Zukunft zeigen.

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Warum werden auch Ökostromtarife durch die Gaspreiskrise teurer?

In aller Regel kaufen auch Anbieter von Ökostrom ganz normalen Strom über die Strombörse. Aus diesem Grund bezahlen sie die gleichen Preise wie konventionelle Anbieter. Zusätzlich dazu erwerben die Stromanbieter aber noch die Herkunftsnachweise für die Eigenschaft als Ökostrom.

Dass höhere Gas- und Kohlepreise auch den Strom teurer machen, liegt daran, dass die Preisbildung an der Strombörse dort stattfindet, wo Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen.

Dabei entsteht das ganze Angebot am Strommarkt auf Basis der sogenannten Merit-Order. Die Merit-Order beschreibt die Reihenfolge, in der die verschiedenen Arten von Kraftwerken eingesetzt werden.

Die Sortierung der Kraftwerke erfolgt nach ihren Kosten Grenzkosten. Die Grenzkosten sind die Kosten, die für die Energieerzeugung als solche anfallen. Wie teuer der Bau der Stromerzeugungsanlagen ist, spielt keine Rolle.

Am Ende bestimmt der Preis des teuersten Kraftwerks, das notwendig ist, um die Nachfrage zu bedienen, den Preis, der für alle Anbieter und Käufer am Strommarkt gilt.

Die niedrigsten Grenzkosten haben Kraftwerke mit erneuerbaren Energien, denn Sonne, Wind und Wasser verursachen keine Brennstoffkosten. Solche Kraftwerke werden als Erste eingesetzt.

Anschließend folgen Kraftwerke mit Kernenergie und danach Kohlekraftwerke. Die höchsten Kosten bei der Stromerzeugung haben Gaskraftwerke, denn sie verarbeiten den teuersten Brennstoff.

Je nachdem, wie groß die Nachfrage ist, werden manchmal alle Kraftwerke benötigt und manchmal nur einige davon.

Bei einer besonders hohen Nachfrage sind alle Kraftwerke in der genannten Reihenfolge im Einsatz, um das notwendige Angebot bereitzustellen. Weil dann auch die hohen Grenzkosten der Gaskraftwerke einfließen, entscheiden diese Kosten darüber, wie teuer der Strom ist.

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Warum ist Ökostrom oft vergleichsweise günstig?

Viele Energieversorger bieten preiswerte Tarife mit Ökostrom an. Möglich ist das unter anderem deshalb, weil das Angebot an Herkunftsnachweisen in Europa größer ist als die Nachfrage.

Für den Nachweis, dass eine Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde, wird nur der Bruchteil eines Cents fällig.

Die Anbieter können so Ökostrom mit minimalen Mehrkosten werbewirksam vermarkten, ohne dass es der Umwelt tatsächlich zugutekommt.

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Hier schreiben Marion Kalinski - Deutschlehrerin, Armin Wischhusen - freier Journalist, Christian Gülcan - Redakteur und Inhaber Artdefects Media Verlag, sowie Denise Menke - Inhaberin einer Presseagentur, Canel Gülcan - Studentin Germanistik / Deutsch auf Lehramt. Wir möchten Wissenswertes zu Themen vermitteln, die aktuell in Deutschland sind , sowie diverse Anleitungen und Tipps für Verbraucher, Schule, Studium oder Beruf weitergeben.

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