Woran scheitert die Rückgabe kolonialer Raubkunst?

Woran scheitert die Rückgabe kolonialer Raubkunst?

Viele Kunstobjekte, die in deutschen Museen und Stiftungen zu sehen oder eingelagert sind, sind eigentlich Diebesgut. Während der Kolonialzeit wurden sie unrechtmäßig nach Deutschland gebracht. Deshalb gibt es regelmäßig Debatten darüber, ob diese Raubkunst nicht an ihre Herkunftsorte zurückgebracht werden soll.

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Woran scheitert die Rückgabe kolonialer Raubkunst

Als Raubkunst werden Kulturgüter bezeichnet, die sich die Kolonialherren in den ehemaligen Kolonien zu Unrecht angeeignet haben. Dabei geht es in erster Linie um Objekte wie Statuen, Masken oder Schmuckstücke, teilweise aber auch um ganze Bauwerke.

In den deutschen Kolonien, zu denen unter anderem das heutige Namibia und Kamerun zählten, erfolgte der Kunstraub hauptsächlich von 1885 bis 1918. Die geraubte Kunst sollte einerseits in Europa ausgestellt werden.

Andererseits sahen die Kolonialherren in dem Diebstahl aber auch eine Art Vergeltung, wenn sich die Einheimischen ihnen widersetzen.

Doch inzwischen leben wir in einer gänzlich anderen Zeit. Wäre es also nicht angebracht, die Raubkunst zurückzugeben? Oder anders gefragt: Woran scheitert die Rückgabe kolonialer Raubkunst?

Tatsächlich gibt es hier gleich mehrere Hürden:

Problem Nr. 1: Langwierige Ermittlungen

Bevor Kunstobjekte in ihr Ursprungsland zurückkehren können, muss erst einmal geklärt sein, dass es sich überhaupt um Raubkunst handelt.

Für diese Aufgabe ist die sogenannte Provenienzforschung zuständig. Sie untersucht in einer teils sehr kleinteiligen Detektivarbeit, woher die einzelnen Objekte stammen und ob diese tatsächlich gestohlen wurden.

Denn zu Kolonialzeiten gab es auch Märkte, auf denen Europäer ganz legal Kunstobjekte kaufen oder in Auftrag geben konnten. Deshalb wird es wohl noch Jahrzehnte dauern, bis die Herkunft jedes verdächtigen Objekts, das sich hierzulande in einer Sammlung befindet, geprüft ist.

Aber selbst wenn sich bei einem Objekt der Verdacht auf Raubkunst bestätigt, steht noch immer die Frage im Raum, an wen es zurückgegeben werden soll. Grundsätzlich müsste die Rückgabe an die Nachfahren der ursprünglichen Eigentümer erfolgen.

Doch nach einer so langen Zeit lassen sie sich nur sehr selten noch ermitteln. Außerdem können bei der Entscheidung für einen Empfänger Konflikte auftreten.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn es mehrere Personen gibt, die Ansprüche an einem Kunstobjekt geltend machen.

Problem Nr. 2: Unverbindliche Rechtslage

Eine weitere Hürde bringt die Rechtslage mit sich. Derzeit existieren keine verbindlichen Gesetze, die einen deutschen Besitzer von Raubkunst dazu verpflichten, die gestohlenen Kulturgüter zurückzugeben.

Ob es sich um einen privaten Sammler oder ein staatliches Museum handelt, macht dabei keinen Unterschied.

Dass es an dieser Stelle keine gesetzliche Regelung zur Rückgabe gibt, hat einen durchaus schlüssigen Grund. Denn eine Regelung, die sich auf Sachverhalte bezieht, die bis zu 200 Jahre zurückliegen, würde im Widerspruch zu einigen anerkannten Rechtsprinzipien stehen.

Das gilt zum Beispiel für die Rechtssicherheit der Eigentumslage vieler Sammlungen. Diese wäre nicht mehr gegeben, wenn jederzeit damit zu rechnen wäre, dass die Objekte herausgegeben werden müssen.

Aktuell stützt sich die Rückgabe von Kulturgut aus kolonialem Kontext deshalb auf das Wohlwollen und eine moralisch-ethische Verantwortung.

Im Ergebnis heißt das, dass ein Sammler, der nicht dazu verpflichtet ist, seine koloniale Raubkunst zurückzugeben, es freiwillig womöglich auch nicht tun wird.

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Woran scheitert die Rückgabe kolonialer Raubkunst (1)

Problem Nr. 3: Ethische Bedenken

Obwohl die Bereitschaft, Raubkunst in ihre Heimat zurückzubringen, grundsätzlich bestehen kann, kommen manchmal noch ganz andere Aspekte zum Tragen. Ein Punkt dabei können Bedenken wegen der Infrastruktur sein.

Schließlich sind nicht in jedem Land die Möglichkeiten vorhanden, um wertvolle antike Kunstobjekte langfristig zu erhalten und sicher auszustellen oder sachgemäß einzulagern.

Daneben können ethische Bedenken aufkommen. Die New Yorker Restitution Study Group, eine gemeinnützige Organisation westafrikanischer Sklaven, sieht zum Beispiel die Rückgabe der sogenannten Benin-Bronzen an Nigeria kritisch.

Britische Truppen hatten die Metallgegenstände um 1897 aus dem Königreich Benin, das größtenteils auf dem Gebiet des heutigen Nigeria lag, geraubt. Allerdings soll sich Benin selbst am Sklavenhandel beteiligt haben.

So soll es Menschen an europäische Sklavenhändler übergeben und im Gegenzug metallene Armreifen als Bezahlung bekommen haben. Diese Armreifen sollen dann eingeschmolzen und daraus die berühmten Benin-Bronzen gefertigt worden sein.

Aus diesem Grund mahnt die Organisation zu einer genauen Prüfung der einzelnen Bronzen, um durch eine Rückgabe nicht die Nachkommen von Sklavenhändlern zu belohnen.

Natürlich herrschen nicht in jedem Herkunftsland, das sich für die Rückgabe seiner Kunst einsetzt, kritische Verhältnisse. Trotzdem können infrastrukturelle und ethische Bedenken eine Rolle spielen.

Zusammen mit der langwierigen und teuren Provenienzforschung und der unverbindlichen Rechtslage sind Hürden vorhanden, durch die sich die Rückgabe kolonialer Raubkunst oft lange hinzieht.

Aber es gibt auch Erfolge. Die Debatte über die rechtmäßigen Eigentümer kolonialer Kunstobjekte ist längst in vollem Gange und hat durchaus Früchte getragen. Das Ethnologische Museum Berlin zum Beispiel hat im Mai 2022 23 antike Artefakte an Namibia zurückgegeben.

Darunter waren Schmuck, Speere und eine Puppe in traditionellem Gewand. Zwei Monate später traten auch die ersten Benin-Bronzen ihren Heimweg nach Nigeria an.

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Hier schreiben Marion Kalinski - Deutschlehrerin, Armin Wischhusen - freier Journalist, Christian Gülcan - Redakteur und Inhaber Artdefects Media Verlag, sowie Denise Menke - Inhaberin einer Presseagentur, Canel Gülcan - Studentin Germanistik / Deutsch auf Lehramt. Wir möchten Wissenswertes zu Themen vermitteln, die aktuell in Deutschland sind , sowie diverse Anleitungen und Tipps für Verbraucher, Schule, Studium oder Beruf weitergeben.

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