Bericht: Was bedeutet das Gesetz zur Musterfeststellungsklage für Verbraucher?

Bericht: Was bedeutet das Gesetz zur Musterfeststellungsklage für Verbraucher?

Nach langwierigen und zähen Verhandlungen und entgegen der Bedenken der Wirtschaft hat der Gesetzesentwurf zur Musterfeststellungsklage grünes Licht bekommen. Mitte Juni 2018 hat der Bundestag das Gesetz nämlich beschlossen, zum 1. November 2018 soll es in Kraft treten.

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Musterfeststellungsklage Verbraucher

Nur: Was bedeutet das Gesetz zur Musterfeststellungsklage für Verbraucher? Was haben sie davon? Wie soll das Ganze funktionieren?

Der folgende Bericht gibt Antworten:

 

Der Hintergrund

Ob unberechtigt erhöhte Gebühren und Beiträge, verweigerte Vertragsleistungen oder mangelhafte Waren: Wenn zwischen einem Unternehmen oder einem Händler und einem Verbraucher Schwierigkeiten auftauchen, ist der Verbraucher bislang meist auf sich alleine gestellt.

Ist mit dem Vertragspartner keine Einigung möglich, muss der Verbraucher vor Gericht ziehen. Dort muss er beweisen, dass er Anspruch auf eine Erstattung seines Geldes oder Schadensersatz hat. Doch so ein Gerichtsverfahren kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern kann auch ordentlich ins Geld gehen.

War die Preiserhöhung wirklich unberechtigt oder gab es nicht vielleicht doch einen plausiblen Grund? Hatte das gekaufte Produkt tatsächlich einen Mangel? Welche Zusagen und Versprechen hatte der Händler oder Hersteller gemacht und welche nicht? So mancher Rechtsstreit zieht sich über Jahre. Und obwohl die Ausgangssituation identisch ist, kommen die Gerichte mitunter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Wahrend das eine Gericht im Sinne des Verbrauchers entscheidet, gibt ein anderes Gericht dem Unternehmen oder Händler Recht. Künftig soll es durch die Musterklage für Verbraucher leichter werden, zu ihrem Recht zu kommen.

 

Die Idee hinter der Musterfeststellungsklage

Die Musterfeststellungsklage soll zu einem Instrument werden, das es ausgewählten Verbänden ermöglicht, Rechtssicherheit für Verbraucher zu schaffen.

Die Idee ist nämlich die:

Wenn sich ein Unternehmen rechtswidrig verhält und dadurch zahlreiche Verbraucher schädigt, soll es möglich werden, alle grundlegenden Rechtsfragen zu diesem Fall in einem einzigen Gerichtsverfahren zu klären. Dazu erhebt ein Verbraucherverband eine Musterklage, die er schlimmstenfalls über die Instanzen hinweg bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen kann.

Betroffene Verbraucher können sich der Musterklage anschließen. Dadurch vermeiden sie, dass ihre Forderungen gegenüber dem Unternehmen verjähren. Liegt das rechtskräftige Urteil in dem Verfahren vor, können sich die Verbraucher verbindlich auf dieses Urteil berufen und auf dieser Basis ihre Entschädigung gerichtlich einfordern.

 

Der Ablauf einer Musterfeststellungsklage

Wenn das Gesetz zur Musterfeststellungsklage im November in Kraft tritt, können die ersten Musterklagen auf den Weg gebracht werden. Bei den Klagen wird es sich aber um reine Verbandsklagen handeln. Der Verbraucher selbst kann also keine Musterklage erheben.

Stattdessen tritt ein Verbraucherverband wie beispielsweise eine Verbraucherzentrale als Kläger auf. Die Verbände, die klagebefugt sind, wurden nach festgelegten Kriterien ausgewählt. Zu diesen Kriterien gehört beispielsweise, dass die Verbände mit den Klagen keine kommerziellen Interessen verfolgen dürfen, sondern im Interesse der Verbraucher und des Verbraucherschutzes handeln müssen. Es muss sich also um Verbraucherverbände mit den Aufgaben im klassischen Sinne handeln.

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Liegt die Klage bei Gericht vor, eröffnet das Gericht ein Klageregister. In dieses Register können sich betroffene Verbraucher eintragen, um sich auf diese Weise der Klage anzuschließen. Gleichzeitig stellen sie durch den Eintrag sicher, dass ihre Ansprüche gegenüber dem beklagten Unternehmen nicht verjähren. Denn solange das Klageverfahren läuft, ist die Verjährung der Ansprüche gehemmt.

Aber: Der betroffene Verbraucher muss sich früh entscheiden, ob er sich der Musterklage anschließen möchte oder ob nicht. Er kann nicht abwarten, wie sich das Verfahren entwickelt, um dann, wenn ein positiver Ausgang wahrscheinlich scheint, noch schnell mitzumachen. Andersherum bedeutet das also, dass der Verbraucher durch seine Beteiligung das Risiko eingeht, dass der klagende Verband mit der Musterklage vor Gericht scheitern könnte.

Neben dem eigentlichen Klageverfahren kann es unter der Aufsicht des Gerichts zu Vergleichs- oder Schlichtungsangeboten kommen. Nimmt der Verbraucher ein solches Angebot an, hat er den darin vereinbarten Zahlungsanspruch gegenüber dem Unternehmen sicher. Je nach Fall kann das eine gute Lösung sein.

Ansonsten wird das Verfahren irgendwann mit einem Urteil beendet. Und sobald das Urteil rechtskräftig ist, ist es sowohl für das beklagte Unternehmen als auch für alle Verbraucher, die sich der Musterklage angeschlossen hatten, verbindlich.

Deshalb kann der Verbraucher dann im zweiten Schritt unter Berufung auf das Urteil seine eigene, individuelle Entschädigung einklagen. Dabei geht der Verbraucher bei positivem Ausgang aber kein Risiko mehr ein. Denn dass er einen Anspruch auf Entschädigung hat, ist durch die Musterklage ja schon verbindlich festgestellt.

 

Die Bedenken gegenüber Musterklagen

Letztlich waren es die manipulierten Diesel-Fahrzeuge, die die Musterklage wieder zu einem Thema für die Politik gemacht haben. Die Verbraucherverbände hatten sich schon seit Jahren für die Einführung einer Musterklage oder eines ähnlichen Modells eingesetzt.

Großer Widerstand kam jedoch aus der Politik und der Wirtschaft. Sie hatten Bedenken, dass Muster-, Sammel- oder Gruppenklagen missbräuchlich instrumentalisiert werden und eine regelrechte Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild entstehen lassen könnten.

Solche Befürchtungen sind jedoch letztlich unbegründet. Denn die Musterklage, die durch das Gesetz möglich wird, wird von Verbraucherverbänden erhoben. Sie handeln aber nicht aus kommerziellen Interessen heraus. Auch Erfolgshonorare für die klagenden Verbände bei positivem Ausgang oder Strafzahlungen in Form von Schadensersatz, wie sie bei Sammelklagen in den USA üblich sind, wird es in Deutschland nicht geben.

Gleichwohl lautet ein Kritikpunkt am Gesetz, dass die Klagebefugnis sehr eng gefasst ist. Dadurch gibt es nur wenige Verbände, die überhaupt Klage erheben können. Und selbst wenn ein Verband klageberechtigt ist, wird sich zeigen, ob er von seinem Klagerecht überhaupt Gebrauch machen kann und wird. Denn die Haftungsrisiken könnten zum Problem werden. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass ein negatives Urteil für beteiligte Verbraucher genauso bindend ist wie eine positive Entscheidung. Das wiederum könnte dazu führen, dass Verbraucher Regressforderungen an den klagenden Verband stellen, wenn die Musterklage scheitert. Klare Regelungen dazu, wie die Verbände dieses Haftungsrisiko absichern können, fehlen im Gesetz.

Trotzdem ist das Gesetz zur Musterfeststellungsklage zweifellos ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die ersten Verbraucher, die davon profitieren könnten, sind Kunden, die vom Diesel-Skandal betroffen sind. Ihre Ansprüche verjähren nämlich größtenteils zum Jahresende 2018. Tritt das Gesetz nun aber wie geplant zum 1. November in Kraft und kann ein Verband rechtzeitig eine Musterklage einreichen, könnten die betroffenen Verbraucher durch den Eintrag ins Klageregister vor Jahresablauf die Verjährung ihrer Ansprüche verhindern.

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Hier schreiben Marion Kalinski - Deutschlehrerin, Armin Wischhusen - freier Journalist, Christian Gülcan - Redakteur und Inhaber Artdefects Media Verlag, sowie Denise Menke - Inhaberin einer Presseagentur, Canel Gülcan - Studentin Germanistik / Deutsch auf Lehramt. Wir möchten Wissenswertes zu Themen vermitteln, die aktuell in Deutschland sind , sowie diverse Anleitungen und Tipps für Verbraucher, Schule, Studium oder Beruf weitergeben.

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